Die legalistisch-zentristische Vision der EU und die Schweiz

Die Aufklärung hat den Satz geprägt, dass keine Steuererhebung ohne „Repräsentation“ stattfinden darf. In den anglo-amerikanischen Systemen (woher der Satz kommt) ist das Budget ein massgebliches Instrument der Parlamentsmacht und die Rechtsetzung liegt traditionell eher bei den common law-Gerichten. Der Satz bedeutet also, dass die massgebliche Funktion des Parlaments, das Budget und die damit einhergehende Steuererhebung, nicht ohne Repräsentation der Belasteten, d.h. der Bürger, geschehen durfte. Auf unser System umgemünzt meint es, dass die Hauptaufgabe des Parlaments, bei uns die Rechtsetzung, nicht ohne Repräsentation der Bürger im Parlament geschehen darf. Dieser klassische Satz der Freiheit wird nun in der Schweiz bis weit in die Mitte infrage gestellt. Sogar das EDA hat im Common Understanding mit der EU in die partielle dynamische Rechtsübernahme eingewilligt und viele selbsternannte “Liberale” wollen ernstlich kein Problem darin sehen (allen voran die Operation “Libero”). Fakt ist: Es würden mit solch einem Vertrag rechtlich verbindlich entscheidende Rechtsetzungsbefugnisse an die EU-Organe abgegeben, in denen die Schweiz nicht repräsentiert ist. Damit wird diametral gegen die Botschaft der Aufklärung und unsere modernen Errungenschaften verstossen.

Auch der EuGH soll gemäss Common Understanding weite Teile des Abkommens überwachen, womit die Schweiz sich unter das Gericht der Gegenpartei begibt. Dies läuft dem zentralen Wert der UNO-Charta, der Souveränität der Staaten, radikal entgegen, der insbesondere (und gerade) kleinere Staaten schützen soll.

Das alles passiert aufgrund der legalistisch-zentristischen Vision der EU, Drittstaaten ihr Gericht und ihre weiteren Organe aufzuzwingen. Auch gegenüber den nordafrikanischen Staaten und den postsowjetischen Staaten hat sie das Modell angewandt oder will es anwenden. So sollen der EuGH und der EU-Gesetzgeber “im Namen des Binnenmarkt” weitgehend mit Wirkung ausserhalb der eigenen Grenzen auf andere Gebilde abstrahlen und so den Einfluss Europas rechtlich ausweiten. Die Vision ist es, dass die EU nicht auf Augenhöhe (und damit aussenpolitisch) gegenüber Drittstaaten auftritt, sondern diese unter das Dach und die Observation von EU-Organen bringt, damit die EU sich nicht vertraglich auf Gleichheit beruhend bindet, sondern die Drittstaaten geopolitisch dominiert und sich einverleibt.

Was aus geopolitischer Sicht vielleicht schlau, zumindest aber kreativ erscheint, ist für die Schweiz völlig fehl am Platz. Schweizer Demokratie und Rechtsstaat sind nicht mit den osteuropäischen Staaten und Nordafrika zu vergleichen. Sie sind vielmehr ein Licht, das heller leuchtet, als in der EU. Das Vorbild ist hier die Schweiz, nicht die EU. Deshalb fordern wir aber keine Teilunterstellung der EU unter Bundesgericht und Bundesversammlung; das wäre absurd (auch wenn es der EU vielleicht gut tun würde).

Sofern sich das bewahrheitet, was das Common Understanding suggeriert, so ist dieser Weg für das schweizerische Gemeinwesen inakzeptabel: Dafür sind unsere Geschichte und Errungenschaften zu wertvoll. Wir würden sie mit diesem Vertrag zerstören.

Julian Stöckli, Mitglied Team Freiheit

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