Atomkraft – Das Tabu

Martin Schlumpf widmet sich in einem Buch unter dem Titel «Atomkraft – Das Tabu» der Frage, ob es neue Kernkraftwerke braucht. Das Buch geht dem «Elefanten im Raum» bei den Energiediskussionen nach: Ist die Energiewende ohne Atomkraftwerke zu schaffen?

Der Autor hat ein Berufsleben lang als Musiker und Musikprofessor an der Zürcher Hochschule der Künste gewirkt. Daneben hat er sich aber immer auch mit dem Sammeln von Daten und Informationen zu brisanten Klima-, Energie- und Entwicklungsthemen beschäftigt: Dabei ist er vom engagierten Gegner der Kernenergie zum heutigen Befürworter und Vorkämpfer für Kernenergie geworden – quasi durch Fakten bekehrt.

Die folgende Buchbesprechung stammt von Dr. Eduard Kiener, dem ehemaligen Direktor des Bundesamts für Energie.

«Was von Anfang an zu erwarten war, wird immer mehr zur Gewissheit: Die Ziele der Energiestrategie 2050 und von Netto-Null, das heisst eine treibhausgasfreie, erneuerbare Energieversorgung, werden nicht erreicht. Daran ändern auch die hektischen Bemühungen zum Fotovoltaik-Ausbau nichts, trotz den vielen alpinen Projektideen. Und selbst wenn es gelänge, bis 2050 genügend erneuerbare Stromproduktion für eine ausgeglichene Jahresbilanz aufzubauen, wäre damit die Versorgung im Winter bei weitem nicht gesichert. Dafür ist die mit steigendem Stromverbrauch verbundene Dekarbonisierung der Energieversorgung viel zu anspruchsvoll. Es fehlen insbesondere weiterhin konkrete Vorstellungen und gesetzliche Vorgaben darüber, wie der erforderliche Systemausbau – Speicher, Netz, Netzregelung – gelingen soll. Deshalb ist unabdingbar, dass die Kernenergie wieder zu einer langfristig tragenden Säule unserer Stromversorgung wird. Es braucht dazu neben dem Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen auch neue Kernkraftwerke.

Martin Schlumpf behandelt in seinem Buch alle wesentlichen technischen, ökonomischen und ökologischen Aspekte der Kernenergie; er wird dabei durch Beiträge von qualifizierten Experten unterstützt. Alex Reichmuth zeigt das Medienversagen beim Atomthema auf, Walter Rüegg berichtet über die Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe, Simon Aegerter über jene in Fukushima, Johannis Nöggerath behandelt die Sicherheitsfragen und Markus Saurer die Nachhaltigkeitsproblematik.

Die umfassende Analyse zeigt klar, dass die Energiewende allein durch Energieeffizienz und erneuerbare Energien nicht innert gebotener Frist zu realisieren ist. Besonders möchte ich positiv hervorheben, dass sich Schlumpf auch auf die Resultate von fundierten wissenschaftlichen Untersuchungen stützt, die zu meinem Ärger von der Politik und sogar von Wissenschaftern totgeschwiegen werden, weil sie nicht die dort erwünschten Ergebnisse zeigen. Ich denke hier an die Vergleiche der verschiedenen Stromerzeugungstechnologien, die auf aufwändigen Lebenszyklusanalysen beruhen. Das Paul Scherrer Institut hat damit erstmals 2010 die ökonomischen und ökologischen Vorteile der Kernenergie aufgezeigt. Die Vergleiche wurden von Zeit zu Zeit aufdatiert, so auch vor der Volksabstimmung vom Mai 2017 zur Energiestrategie 2050, und ergaben weiterhin für die Kernenergie positive Resultate. Auf Geheiss des Bundes durfte der Bericht erst nach der Abstimmung veröffentlicht werden!

Martin Schlumpf’s Werk ist bestens geeignet, einen faktenbasierten Beitrag zur wieder anlaufenden Diskussion um die künftige Rolle der Kernenergie zu liefern. Er benennt die Herausforderungen der Energiewende für das Stromsystem unverblümt und bemüht sich um eine verständliche Darstellung der nicht immer einfachen Zusammenhänge. Der Einbezug von Grafiken fördert dabei die Verständlichkeit – leider ist die Lesbarkeit wegen dem handlichen Buchformat nicht bei allen optimal.

Es ist zu wünschen, dass das Buch in der energiepolitischen Diskussion Beachtung findet, insbesondere im Rahmen der hängigen Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes. Meine Hoffnung hält sich allerdings in Grenzen, denn unangenehme Fakten nimmt man auch in der Politik nicht gerne zur Kenntnis. Und ich habe auf meine verschiedentlich gestellte Frage, was prioritär sein solle, Versorgungssicherheit und Klimaschutz oder der Kernenergieausstieg, bisher keine Antwort erhalten.»

Das Buch «Atomkraft – Das Tabu» kann hier gekauft werden.

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